Der Abschnitt „Streckenflug“ ist der letzte von vier Ausbildungsetappen, die ein Lizenzanwärter durchlaufen muss. Wer jetzt aber glaubt, er hätte an dieser Stelle schon drei Viertel seiner Ausbildung hinter sich, der wird wie ich feststellen, dass man sich beim Segelfliegen nicht zu sehr auf mathematische Verhältnisse verlassen darf.
Eine realistische Vorstellung bekommt man, wenn man betrachtet, dass es bei mir noch zweieinhalb Jahre dauern sollte, bis ich schließlich zu meiner Lizenzprüfung kam. Dazu kommt, dass ich in diesem letzten Abschnitt mehr lernen musste und es mich mehr Nerven gekostet hat, als die komplette vorangegangene Ausbildung.
Noch 2012, nach meiner bestandenen C-Prüfung, startete ich meine ersten Versuche die 50km im Alleinflug zu bewältigen, allerdings war die Flugsaison schon fast zu Ende und das spätsommerliche Wetter reichte bei meinem Ausbildungsstand nicht aus, um aus der Platzumgebung in Richtung des Flugplatzes Klix bei Bautzen abzufliegen.
Im April, Mai und Juni 2013, war dann zwar das Wetter gut, aber die Abiturprüfungen ließen mir keine Zeit, um Streckenversuche zu unternehmen. Im Sommer hatte ich dann endlich Zeit, musste aber vor allem feststellen, dass ich nicht einfach wegfliegen konnte, wenn ich das wollte. Sorgfältigste Vorbereitungen sind Voraussetzungen für einen erfolgreichen Flug. Dazu gehört die navigatorische Vorbereitung in Form eines Steuermannsplans, die technischen Voraussetzungen für die behördenakzeptierte Aufzeichnung des Fluges mithilfe eines sogenannten Loggers und natürlich die Zusammenstellung eines Rückholteams aus Vereinskameraden, falls man auf einem Acker landen muss. Spätestens an dieser Stelle lernte ich, dass der Segelflug ein Teamsport ist und dass ein Vereinskamerad mit Führerschein und einem Auto mit Anhängerkupplung Gold oder zumindest einen Kasten Bier wert ist. Auch der Anhänger in den das Flugzeug später vielleicht verladen werden muss, muss vorbereitet werden und vor allem braucht man ein Flugzeug, was einem an diesem Tag technisch einwandfrei zur Verfügung steht. Wenn schließlich alle Vorbereitungen getroffen und alle Voraussetzungen erfüllt sind, muss man oft feststellen, dass das Wetter an diesem Tag doch nicht so gut ist, wie es der Segelflugwetterbericht angesagt hat und die aufwendig geplanten Streckenversuche häufig schon nach 6-7 Minuten enden. Das ist dann die Sache mit den großen Erwartungen und den bitteren Enttäuschungen, wo viele Flugschüler nach einiger Zeit so frustriert sind, dass sie ihre Ausbildung beenden. Auch mich hat das zeitweise frustriert und entmutigt. Vor allem, da man zunehmend den Unmut von Freundin, Familie und Freunden zu spüren bekommt, wenn man seine komplette Freizeit mit Streckenversuchen verbringt.
Vergessen werden darf bei all diesen vermeintlich störenden Umständen nicht, dass man selbst als relativ unerfahrener Flugschüler die größte Fehlerquelle ist. Das klingt natürlich erstmal bitter, aber positiv daran ist, dass man an sich selbst ja arbeiten kann. An der Stelle hilft dann nichts außer es einfach weiter zu probieren und zu versuchen seine eigenen Fähigkeiten zu verbessern. Hilfreich ist auch mal ein Flug mit einem erfahrenen Streckenpiloten, um noch ein paar Methoden zum Vorgehen beim Streckenflug und vor allem bei der Thermiksuche zu erlangen.
Meine erste Außenlandung im August 2013 war auch eine wichtige und interessante Erfahrung. An diesem Tag waren viele Piloten zu Streckenflügen aufgebrochen und ich war zuversichtlich es zu schaffen und flog zum ersten Mal richtig vom Platz weg. Es gab gute Wolkenthermik und ich war zuversichtlich, dass das auch so bleiben würde, aber in meiner Flugrichtung sah es nicht so gut aus. Keine Wolken, nur blauer Himmel in Richtung Klix. Schon nach kurzer Zeit hatte ich nur noch wenige hundert Meter über Grund und sah mich nach einigem, weiteren, verzweifelten Rumkurbeln zur Landung auf einem einladend braunen Acker bei Stolpen gezwungen. Bei der Landung an sich hatte ich zwar gehörig Herzklopfen, aber es ging alles gut und bald brachten mir dann gesellige Leute aus Stolpen Bier und Kuchen. Es dauerte über 6 Stunden bis meine Abholtruppe endlich bei mir ankam und wir das Flugzeug verladen konnten, weil ich nicht der Einzige war, der an diesem Tag außerhalb des Platzes gelandet war. Die Landung wäre womöglich nicht notwendig gewesen, wenn ich ein Alternativziel in einer anderen Richtung vorbereitet hätte. Aus diesem Grund bereitete ich für die kommenden Versuche immer zwei Ziele für den Streckenflug vor, wenn auch Klix mein Favorit blieb.
Also sollte nun die Saison 2014 den erhofften Erfolg bringen. Problem war anfangs der Saison nur, dass bis Ende April kein einziges Flugzeug vom Typ Astir einsatzbereit war und ich somit am Boden saß. Dazu kam, dass mir das Ablaufdatum meiner großen Theorieprüfung im Mai bevorstand. Also fragte ich den Fluglehrer Jens Perl um Hilfe, ob wir mit einem Doppelsitzer 100km zu zweit fliegen könnten, da dies als Alternative zum 50km Alleinflug akzeptiert wird. Er war optimistisch oder tat zumindest so und bald saßen wir im Puchacz und kreisten in schönster Wolkenthermik über Pirna. Leider war an diesem Tag die sogenannte Wolkenbasis nicht allzu hoch, sodass wir mit etwa 1000m über dem Flugplatz abfliegen mussten. Der geplante Umkehrpunkt war der Flugplatz Großrückerswalde, welcher allerdings in höherem Gelände liegt. Das und die geringe Arbeitshöhe ließen uns nicht lange Zeit um Kilometer zurückzulegen bevor wir wieder Thermik suchen mussten. Als dann die erste, zweite und dritte Wolke nicht die erwünschten Aufwinde brachte, hatten wir bereits ein geeignetes Feld ins Auge gefasst und mussten nur 13km vom Platz entfernt landen. Perli tobte und ich konnte mir das Lachen über diese wenig ruhmreiche Tat kaum verkneifen.
Als dann Anfang Mai zwei unserer drei Flugzeuge vom Typ Astir einsatzbereit waren merkte ich schnell, dass sich meine Versuche verbesserten und ich mich auch bei weniger perfektem Wetter noch am Himmel halten konnte.
Das Resultat waren zwei geglückte Flüge, die zwar die geforderte Strecke beinhalteten, allerdings beide behördlich nicht anerkennungswürdig waren. Wer die Gründe erfahren möchte kann mich gerne persönlich fragen.
Schließlich kam es wie es kommen musste und ich hatte meine große Theorieprüfung nachzuholen bevor ich weitere Versuche starten konnte. Einige Wochen später und um einiges an Geld erleichtert, hatte ich die Prüfung erneut bestanden und trat erneut zu einigen fruchtlosen Versuchen an bevor ich es dann ziemlich frustriert für die Saison 2014 bleiben ließ und in einen längeren Urlaub fuhr.
Im Winter überlegte ich dann wie es weiter gehen sollte, da das Studium, was ich inzwischen begonnen hatte, mich wirklich forderte und mir mittlerweile einfach die Motivation fehlte immer mehr Zeit zu investieren ohne erkennbare Fortschritte. Allerdings war es mir dann auch zu schade um die bereits investierte Zeit und um das schöne Hobby. Meine Freude fürs Fliegen an sich war ja ungebrochen und auch der Verein brachte mir sehr viel Vertrauen entgegen, als mir der Lehrgang zum Segelflugzeugtechniker aus der Vereinskasse finanziert wurde. Also trat ich im Frühjahr 2015 wie ein Wahnsinniger jeden Tag zum Fliegen an, an dem es möglich war und wurde schon im April dafür belohnt.
Ich war 50,4 km geflogen, allerdings meinte Lutz Kern vom Landesluftsportverband Sachsen kurz darauf als ich meine Lizenzprüfung beantragen wollte, dass die Behörde meinen Flug nicht akzeptieren würde, weil der Zielpunkt nicht „korrekt“ umflogen wurde.
Am Wochenende darauf musste ich also wieder auf den Platz und ganz spontan, ohne besonders gute Wetterbedingungen und ohne dass jemand damit gerechnet hatte, konnte ich die 50 km nach Bischofswerda und zurück mit korrekter Zielumrundung zurücklegen. Ich war selber ganz überrascht und konnte es kaum fassen als ich später am Rechner die Datei auslas und keinen Fehler an diesem sehr unspektakulären Flug von gerade einmal gut einer Stunde feststellen konnte.
Die praktische Prüfung selbst war dann nicht mehr der Rede wert und einige Wochen später konnte ich mich Lizenzpilot nennen. Die Motivation und die Geduld zu behalten ist im letzten Ausbildungsabschnitt das Schwierigste. Allen angehenden Streckenfliegern kann ich nur empfehlen auch nach einem vermeintlichen Misserfolg nicht nur Fehler und Verbesserungswürdiges für sich selbst aufzuschlüsseln, sondern auch Elemente die besser funktioniert haben als beim vorletzten Versuch, wo also bereits Fortschritte erzielt wurden. Das ist gut für die Motivation, da so eine bewusste Wahrnehmung kleiner Erfolge erzielt wird.