Warning: Class '\Joomla\CMS\Document\Renderer\Html\ModulesRenderer' not found in /var/www/web64/html/libraries/loader.php on line 663 Akrobaten der Lüfte - vom Lehrer zum Schüler - Abitur-mit-Segelfluglizenz.de

Akrobaten der Lüfte - vom Lehrer zum Schüler (Segelkunstfluglehrgang Zwickau)

Kunstflugtraining Jens Perl

Als Fluglehrer sollte jeder bestrebt sein nicht nur bei trockenen theoretischen Weiterbildungen sein Wissen zu erweitern sondern insbesondere durch praktische Übungen seinen Könnensstand auszubauen und zu trainieren.Platzrunden zu drehen und hier und da mal einen kleinen Überlandflug zu tätigen, stumpfen dich schnell ab und erzeugen eine lähmende Routine im Fluglehrergeschäft. Neue Motivationen schaffen; neue Grenzen ausloten und die Limits spüren, das sind Aspekte, die eine starke fliegerische Persönlichkeit formen und bestechende Impulse in der Flugausbildung iniziieren können! Wie wäre es mal mit einem Kunstflugprogramm? Genau das haben zwei Fluglehrer vom Aeroclub Pirna umgesetzt und waren begeistert über die fliegerischen Möglichkeiten zwischen Manöver- und Höchstgeschwindigkeiten von Segelflugzeugen.

Jens Perl und Robert Paul wirbelten beim geförderten sächsichen Kunstfluglehrgang in Zwickau (6. bis 10. Mai) mit renommierten Piloten durch die Lüfte. Das Teilnehmerfeld war sehr gemischt; neben insgesamt drei Anfängern nahmen auch wettkampferprobte Piloten aus Sachsen, Hessen und Schleswig Holstein teil. Als Flugzeuge standen zwei ASK 21 und ein Fox (Förderverein) zur Verfügung sowie die Wilga als Arbeitsdiva für die unermüdlichen Schlepps.
Wir als Rookies wurden gleich ordentlich ran genommen und bereits in den erste Flügen blieb keine Zeit für klärende Fragen. Ausgeklingt vom Schleppflugzeug stürzten wir hinab zu Erde, um mit teils 220 km/h dann wieder nach oben zu schießen und den Looping im ganzen Körper zu fühlen. Es folgte eine halbe Drehung um die Flugzeuglängsachse in die Rückenfluglage - jetzt hieß es durchhalten und Zähne zusammenbeißen - das Blut staute sich im Kopf und die Orientierung ging gänzlich verloren. Bloß gut, daß wenigstens einer im Flugzeug die Kontrolle behielt.

der Blick nach oben

Kaum hatten wir uns etwas gesammelt, schon ging es in den Abschwung und das versetzte uns in ein neues „Aha-Gefühl“ - in den Sitz gedrückt und nach Luft schnappend gewannen wir jetzt wieder ein wenig Richtungssinn - doch bevor wir es uns gemütlich machen wollten - zack - zügiger Höhenruderauschlag nach oben und ein straffer Aufschwung in einen halben Looping lies bei so manchem kurzzeitig die Lichter ausgehen - und schon wieder sahen wir uns in dieser blutdrucksteigernden Rückenfluglage. Nicht lange, denn ein beherztes Ausheben und ein zügiger Querruderausschlag rollte uns zurück in Normalfluglage.

Streicheleinheiten

Doch die Geschwindikeit blieb rasant und der Wunsch nach einer kurzen Verschnaufpause platzte sogleich bei einem knackig eingeleiten vertikalen Steigflug mit Fächerung um eine Fläche und schon sahen wir wieder die Erde auf uns zurasen. Im Horizontalflug angekommen folgte zugleich eine ganze Rolle und ein Turn über die andere Fläche war auch nicht weit. Schon halb im Delirium hörten wir nach einer weiteren Rolle und ein paar Steilkreisen einen Funkspruch „Delta 23 aus der Box“ - das Zeichen für die Beendigung des Lufttangos. Ziemlich geplättet, aber dennoch feucht vor Ekstase, wankten wir aus dem Cockpit, sammelten unser „Ich“ auf und verarbeiteten die ungewohnten Eindrücke. Geflasht von den ersten Flügen leckten wir jedoch schnell Blut und das Kunstflugfieber hatte uns gepackt. Die Anstrengungen verflossen schnell und jeder weitere Flug machte einfach nur noch Spass - das Adrenalin kochte. Wir übten uns von Figur zu Figur, schnell wechselte die Führung des Flugzeuges vom Lehrer zu uns und wir begriffen die Steuerung ohne die Orientierung zu verlieren. Vom Lehrer zum Schüler - ein ungewohntes Gefühl sich mal wieder "führen zu lassen", Neues zu erlernen, andere Sichtweisen sich zeigen zu lassen und ungeahnte Dinge demonstriert zu bekommen, aber auch kritisch beurteilt zu werden. Als Fluglehrer kann man hier den Umgang mit Kritik neu erfahren. Auch die körperlichen Grenzen und das eine körperliche Fitness von Nöten ist wurde uns sehr deutlich aufgezeigt. Perli sah hier Handlungsbedarf und ergriff beim abendlichen Flugzeugputzen sofort die Initiative - ein für mich, seine Frau und den Schülern des AC Pirna ein sehr ungewohntes Bild. Nach einigen Kamasutra ähnlichen Übungen stand er schmerzverzerrt auf, kam zu mir und sagte: „Rückenflug ist mir doch lieber!“.


auch Fluglehrer können putzen

Jeder Tag brachte uns drei bis fünf Flüge. Aus 1.200 m Höhe gab es genug Zeit um 5 bis 10 Figuren zu üben. Während des Flugzeugschlepps konnten wir noch entspannen und mit unseren Lehrern letzte Einzelheiten der Kür absprechen. Die Pausen am Boden wurden intensiv mit Flugspiel und Entspannungsphasen gefüllt. Einige Abläufe mussten in Bezug auf Ruderhandling gänzlich neu automatisiert werden. Zum Beispiel ist der Looping eine runde Figur und muss mit harmonischen, wohl dosierten Höhenruderausschlägen gefühlvoll an den Himmel gezirkelt werden. Eckige Steuerbefehle sind zu vermeiden und am höchsten Punkt muss das Ruder etwas nachgelassen werden - getreu Werners Worten "Das Höhenruder sucht sich seinen Weg." Die Figuren zu fliegen war jedoch nur die halbe Miete, die Figuren sauber und präzise zu performen schon eine etwas höhere Kunst. Auch hier kann nach nur einer Woche nicht die variable Verfügbarkeit bei den Neulingen errreicht werden, aber das Ziel, die Grundfiguren des Kunstfluges sicher zu beherrschen und jederzeit ungewollte Fluglagen sicher auszuleiten, wurden erreicht. Neben der täglichen Flugpraxis stand auch etwas Theorie auf dem Abendprogramm. Völlig neue Themen beim abendlichen Gerstengetränk eröffneten für uns interessante Sichtweisen auf die eigene Methodik in der Ausbildung, unsere Horizonte liesen sich um einiges erweitern. Für das kulinarische Wohl wurde ebenso gesorgt, in der Fliegerklause gab es Speis und Trank.

Werner BraunArbeitstier

Wir danken dem Organisator des Lehrgangs, Joachim Lenk, für sein Engagement und unseren Kunstfluglehrern Werner Bauer und Eberhardt Bley für ihre Arbeit mit uns und ihren Frauen, die ihre Männer für unsere Ausbildung freigaben. Nicht zu vergessen sind unsere Schlepppiloten, ohne die wir nicht so ein effektives Fliegen erreicht hätten. Mit vielen Eindrücken, geschafft - aber glücklich, verließen wir den Platz. Jedoch ganz sicher - es war nicht das letzte Wochenende in Zwickau!!!
Autor: Robert Paul